Römische Briefe 1


 Von Uwe Niemeier

 

Foto und Copyright: Uwe Niemeier
Foto und Copyright: Uwe Niemeier

Liebe Nordlichter, 

 

bevor es Euch verdienterweise in den Urlaub nach Südfrankreich verschlägt und Ihr im Absinth-Rausch die Provence entlavendelt, möchte ich Euch ein paar Gedanken schicken, oder besser: ein paar Reisenotizen aus Bella Italia, genauer aus Frascati und Palestrina in der Römischen Campagna.

 

Wir waren im Park-Hotel Villa Grazioli in Frascati, knapp 300 Meter über Rom, mit einem wunderschönen Ausblick auf die Ewige Stadt. Dort, in den Albaner Bergen, haben wir die Sommerfrische genossen, ein paar Ausflüge nach Castel Gandolfo und an den Nemi-See unternommen, ins antike Schifffahrtsmuseum reingeschaut und sind natürlich nach Nemi selbst gefahren, einem hübschen kleinen Ort in den Bergen über dem See, dem antiken „Spiegel der Diana“. Zwei Tagesausflüge nach Rom hinein mit der Vorortbahn Frascati-Roma Termini durften natürlich nicht fehlen. Bei 34 Grad im Schatten.


Ein mittleres Abenteuer war unser Ausflug nach Palestrina zum Museum mit dem antiken Nil-Mosaik und zum Fortuna-Tempel in knapp 700 Meter Höhe. 
Wir gerieten durch Absperrungen wegen eines Palio-Festes nur auf einer bescheidenen Nebenstraße hoch ins Museum. Durch extrem enge Gassen und über holpriges, unter dem Zahn der Zeit und tektonischen Senkungen gebogenes Kopfsteinpflaster kurvte ich unseren kleinen Mietwagen eng an Hauswänden und dicht an Wohnzimmertüren vorbei, tapfer und entschlossen stets nur das nächste Ziel, die nächste Haarnadelkurve im Auge, ohne zu ahnen, was uns hinter dieser uneinsehbaren Wendung erwartet. Dann setzte sich auch noch ein Gewitter am Berghang fest und lieferte ein donnerndes Konzert mit allen Schönheiten und Schrecken eines ausgewachsenen Wolkenbruchs. Nach dem Museumsbesuch mussten wir bergab zurück auf schlüpfrigen Straßen durch den gewundenen Ort, um wieder nach Frascati zu gelangen. Es kam bei uns große Freude auf . . . und wir ahnten noch nichts von dem Streich, den uns die Einheimischen spielen sollten.

 

Denn kurz zuvor hatte es unten im Ort einen quirligen Palio-Festumzug zur Mitte des altertümlichen Städtchens gegeben. Allerdings, zu unserem Leidwesen, hatten die vom Trubel noch ganz verzückten, offenbar auch entrückten und vor dem Regen schnell flüchtenden Festzug-Ordnungskräfte angesichts des Dauerregens vergessen, eine ganz entscheidende Straßensperrung und somit Lenkung für den Umzugstross wieder aufzuheben . . . wodurch wir nicht etwa den Weg raus aus der Stadt erwischten, sondern mit unserem Wagen mitten durch den Ort und durch die staunenden Festbesucher geschleust wurden. Was blieb uns übrig? Wenden? Völlig ausgeschlossen!

 

Wir kämpften uns im Schritttempo über den gut besuchten Festplatz. Links quäkte Gianna Nannini aus den Boxen am Autoscooter, rechts schrillten die Stimmen der Bambini an Buden mit Gespinsten aus klebriger Zuckerwatte und Bergen bunter Eismassen. Nach dem Festplatz mit staunenden Gesichtern der Einheimischen wurde es zwar ruhiger, aber die Gassen wurden immer enger. Und wir immer stiller. Wir lächelten uns vorbei am Rathaus mit der großen, leeren Festbühne, vorbei am Duomo, schlichen eng an Tabacchi-Läden und italienischen Bars entlang, weiter hinein in ein unsicheres Gassengewirr.

 

Verfahren in den Höfen – das war jetzt nicht empfehlenswert, sonst hätte uns die Kavallerie oder Feuerwehr rausholen müssen. Wir schafften schließlich (mit vielleicht einer, aber wirklich nur einer Schweißperle auf der Stirn) den letzten winzigen Torbogen hinaus aus Palestrina. Ein wirklich bezauberndes Städtchen mit freundlichen, toleranten Einwohnern, aber diese Abkürzung durchs Centro storico brauchen wir nicht wieder.
Ihr seht, es war uns überhaut nicht langweilig geworden.
 
Aber nun genug mit meiner kleinen Italien-Erzählung, wobei das eine oder andere Geschichtchen (etwa wie ich im Regionalzug nach Rom plötzlich und unerwartet auf den Videobildschirmen in sämtlichen Waggons zu sehen war) sicherlich ganz unterhaltsam wäre. Vielleicht mal mehr bei einem Wiedersehen.
 
Für den Moment aber genug und gut´s Nächtle, wie der Italiener sagt.

Frascati - Castel Gandolfo - Nemisee - Rom

Nemi in den Albaner Bergen