Bild oben: Verwinkelter Gang in Lacoste. © Uwe Niemeier
Impressionen einer Reise in die Provence - Der Kleine Luberon - Robion bis Bonnieux
Von Uwe Niemeier
Ach, Lacoste. Dieses Kleinod im Garten Eden. Wir rollen über die D 109 vorbei an Weinfeldern, üppigen Obstplantagen, dichten Gemüsefeldern, vorbei an lichten Wäldern und halbhohem groben Mauerwerk, sehen blumenreiche Gärten und penibel aufgeräumte Höfe. Ein Hund bellt. Eine braunrote Katze liegt völlig entspannt auf einem alten Baumstumpf. Nur Lacoste - sehen wir nicht. Kein Wunder. Das 400-Seelen-Dorf schmiegt sich versteckt an den Berghang einer kleinen Hochebene im Naturpark Luberon.
Langsam kommen wir näher. Eine scharfe Rechtskurve, dann hart links, und schon wird es eng zwischen den trutzigen Steinhäusern. Sehr eng. Wir stehen völlig unvorbereitet an einer der sicherlich schönsten Aussichten in die provenzalische Ebene. Am Café de France. Was für eine Landschaft! Juni-Hitze flirrt über das grün-braune Meer der Obst- und Weinbaufelder. Und in der Ferne leuchten die Dächer von Bonnieux.
Ab dem Café de France muss es zu Fuß weitergehen. Eine steile Rampe (Rue de Four) führt über ausgetretenes Kopfsteinpflaster in den oberen Teil von Lacoste und zu neuen, noch steileren Rampen und Treppen, die zur Burg hochklettern. Wir entscheiden uns für die
flachere Rue Basse, die quer durch den hübschen Ort bis zum Kirchplatz mit Post und Tourismusbüro führt. Und fühlen uns ins Mittelalter versetzt. Wir folgen der verwinkelten Gasse mit ihrem groben Pflaster und kommen vorbei an Steinhäusern, bröckelnden Fassaden, aufplatzendem Türholz und verwunschenen Winkeln mit hochwachsendem Grün und bunter Blumenpracht. Aber wir sehen auch herausgeputze Häuser mit lavendelfarbenen Läden, gläsernen Eingangsportalen und frisch verputzten Fassaden.
Nach einem Rundgang gibt es zwei Möglichkeiten sich zu stärken. Im Café de Sade oder im Café de France. In beiden - eins im Norden, das andere im Süden an der D 106 - lässt es sich gut essen und trinken. Dennoch könnten die beiden Einrichtungen unterschiedlicher nicht sein, denn im Café de France mit seiner tollen Aussichtsterrasse treffen sich auch die Dorfbewohner. Anders als das Café de Sade gehört das nämlich noch nicht Pierre Cardin. Wir faulenzen im Café de France. Diese Aussicht! Sonnenstrahlen fluten die Luft in eine aprikotfarbene Lebenslust. Es riecht von irgendwoher nach wildem Thymian. Der Süden, hier ist er zum Greifen nah. Man müsste nur die Hand ausstrecken.
Dunkles Kapitel
Ein besonders dunkles Kapitel des Ortes wurde Mitte des 16. Jahrhunderts geschrieben. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts kam es zu einer zunehmenden Entvölkerung der Ortschaften im Luberon. Um die Orte wieder zu beleben, siedelten die Feudalherren Waldenser in der Gegend an. Diese christliche Glaubensgemeinschaft, die in Lyon ihren Ursprung hatte und zunächst eine Laienbewegung darstellte, zeichnete sich durch eine besonders asketische Lebensweise aus und kritisierte offen die ausschweifenden Missstände der etablierten Kirche.
Weder Klerus noch Adelige duldeten diese Kritik und begannen die Waldenser zu verfolgen. 1545 kam es in Lacoste zu einem Massaker an den Waldensern, dem viele Männer und Frauen zum Opfer fielen.
Außer Lacoste fielen auch andere Dörfer am Nordhang des Luberon (wie Merindol, Bonnieux und Oppède) diesem Vernichtungsfeldzug zum Opfer. Harte Zeiten.
Literatur aus dem Gefängnis
Wer Lacoste sagt, muss auch Sade sagen. Genauer: Marquis de Sade (1740-1814). Über dem Dorf wohnte er immer wieder mal in der Burg Lacoste, die seiner Pariser Familie als Landsitz diente. Seinen umstrittenen Roman "Die 120 Tage von Sodom" schrieb er allerdings nicht im Luberon, sondern als Gefangener in der Pariser Bastille.
Wer Lacoste sagt, muss aber auch Cardin sagen. Pierre Cardin. Der Landsitz des Marquis de Sade wird seit einigen Jahren mit viel Geld des superreichen Modeschöpfers wieder aufgebaut und kann gegen Eintritt besichtigt werden. Cardin kaufte auch zahlreiche Häuser und renovierte sie aufwändig mit dem Ziel, aus Lacoste ein "St.Tropez der Kultur" zu machen. Viele Einwohner des kleinen Bergdorfes waren und sind darüber keinesfalls beglückt. Hohe Preise, Fremde als Zugezogene, die Hautevolee aus aller Herren Länder und Touristen überlaufen den Ort speziell im Juli. Der sonst sehr ruhige Ort ändert dann seinen Charakter.