Die Geschichte der Masken

Jeder kennt sie, die berühmte „Maske des Agamemnon“ (Bild oben links). Bärtig, mit geschlossenen Augen und naturalistischen Gesichtszügen meint man, das Portrait eines frühmykenischen Fürsten vor sich zu haben. Bekannt ist der Ausspruch Schliemanns, er habe bei seinen Grabungen 1876 das Grab des Agamemnon gefunden. Doch die bärtige Maske war bereits die zweite Maske, die er in Schachtgrab V fand: Genau einen Tag vorher entdeckte Heinrich Schliemann in diesem Grab eine rundgesichtige Goldmaske (Bild oben rechts). Sie bedeckte einen sehr gut erhaltenen Leichnam, der mit langen Bronzeschwertern, einem goldenen Vaphiobecher, einem goldenen Kelch, zwei silbernen Tassen, einen großen Krug, zwei Alabastervasen und zahlreichen anderen Gold- und Silber-Artefakten beigesetzt worden war.

 

Bereits diesen ersten Maskenfund wollte Schliemann schnellstmöglich „medienwirksam“ öffentlich machen. Umgehend telegrafierte er an den
griechischen Minister, er habe einen toten Mann mit rundem Gesicht gefunden, der so aussehe, wie er sich Agamemnon vorstelle: 
„Habe Nauplion um Maler telegraphiert, damit er den Toten mit dem runden Gesicht festhält. Dieser ähnelt sehr dem Bilde, das meine Phantasie sich längst von Agamemnon gemacht hat." (E. Ludwig, Schliemann – Geschichte eines Goldsuchers, 1932, S. 214)


Am darauffolgenden Tag fand Schliemann gemeinsam mit seinem griechischen Ausgräber-Kollegen Panagiotis Stamatakis im selben Schachtgrab
eine weitere, weit weniger reiche Bestattung. Doch die zugehörige bärtige Goldmaske fand aufgrund ihrer detaillierten Ausarbeitung und ihres hohen künstlerischen Wertes später als „Maske des Agamemnon“ Eingang in die Geschichtsbücher.

 

Weder die eine noch die andere Bestattung kann mit dem homerischen Agamemnon in Verbindung gebracht werden, da Wissenschaftler den Troianischen Krieg und den Anführer der Griechen, Agamemnon, um 1.200 v. Chr. ansetzen. Die Bestattungen aus Schachtgrab V sind (wie alle anderen aus dem Grabkreis A in Mykene) 400 Jahre früher anzusetzen und stammen aus der Zeit um 1.600 v. Chr. Es kann sich also hier höchstens um die Ahnen des Agamemnon handeln – wenn es ihn überhaupt je gegeben hat. 

 

Die Bestattung mit der runden Goldmaske entspricht wegen ihrer reichen Ausstattung eher der einer Autoritäts- und Führungsperson. Der Leichnam, den Schliemann für Agamemnon hielt, trug jedenfalls die runde Maske und ist damit die „wahre“ Agamemnon-Maske. Diese runde Goldmaske ist nun erstmalig in Deutschland zu sehen. Die Leihgabe des griechischen Staates wurde nur durch den großen Kooperationsvertrag des Badischen Landesmuseums mit dem Ministerium für Kultur und Sport Griechenlands möglich.

 

Text: Badisches Landesmuseum