„Preise mir jetzt nicht tröstend den Tod, ruhmvoller Odysseus.
Lieber möcht’ ich fürwahr dem unbegüterten Bauern,
Der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld bestellen,
Als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.“
Achill in der Unterwelt
Aus Homers Odyssee 11, 488-491 (frei nach J.H. Voß)
Großes Bild oben: Sonnenaufgang am Golf von Argolis. © Uwe Niemeier
Bild links: Larnax (Sarg) in der Karlsruher Ausstellung. © Uwe Niemeier
Teil 3 und Schluss in fünf Szenen / Von Uwe Niemeier
Es war noch dunkel. Und die Nacht auf den Hügeln am Argolischen Golf bitterkalt. Der halbe Mond warf ein schales Licht und versteckte sich die meiste Zeit hinter dichten Wolkenbergen. Die mykenischen Soldaten hatten sich in ihren kargen Wachtürmen entlang der Bucht dick in Decken aus Schafswolle eingewickelt, wärmten sich an der Glut ihres Feuers und warteten auf den Morgen. Erst mit den frühen Sonnenstrahlen, wenn das Licht hinter dem Horizont um den neuen Tag kämpfen würde, konnten sie das Meer nach Schiffen ausspähen. Noch aber war alles schwarz über dem Golf, an dessen Ende der Hafen und der nur wenige hundert Meter entfernte Burgberg der mykenischen Stadt Tiryns in einem tiefen, unbekümmerten Schlaf lagen.
Dann ging alles schnell, zu schnell. Etliche Segel tauchten mit dem auffrischenden Morgenwind urplötzlich aus dem Dunkel nahe der Küstenlinie auf. Böen trieben die Schiffe mit ihren aufgeblähten Segeln in den Golf hinein, direkt auf den Hafen zu. Die hölzernen Buge durchpflügten wie Poseidons Rösser das kräuselnde Meer. Der entlegenste Posten der Mykener, der weit draußen auf dem Kap der Lerchen südöstlich von Tiryns wachte, rieb sich die schläfrigen Augen. War da was? Oder hatte ihn nur eine Füchsin aufgeschreckt, die nach Beute suchte? Der Halbmond schickte einen Lichtstrahl durch die Wolkenbänke, der sich langsam auf die dunkle See senkte. Der Posten riss die Augen auf. Da waren sie! Diese fremde Schiffsform. Diese grauen Segel. Bei Potnia! Die Piraten der Meere. Nicht zwei Schiffe, nicht sechs, sondern mehr. Immer mehr tauchten aus der Dunkelheit auf. Er sah acht, zwölf, dann zwanzig – und hörte auf mit dem Zählen.
Der Posten warf seine Decke ab und schüttelte sich die Kälte aus den steifen Gliedern. Dann lief er zum Klippenrand an der großen Sichelbucht und entzündete das Leuchtfeuer, um den nächsten Wachtposten hinter der Bucht zu alarmieren. Wie eine Kette aufspringender Funken lief das Signal die kahle Hügelkette entlang. Bis in Tiryns die Hölle losbrach.
Dumpf dröhnende Piratenhörner bliesen ihren archaischen Klang mit dem Wind an Land und waren bis in die Unterstadt von Tiryns zu hören. Die tiefen Töne verbreiteten Angst und Schrecken noch bevor die ersten feindlichen Schiffe mit ihren Besatzungen an die Kaimauer brandeten und bereit zum Angriff waren. Kinder schrien, Frauen weinten, die einfachen Männer griffen in großer Furcht zu Holzknüppeln, um sich notdürftig verteidigen zu können.
Die stimmgewaltige Nachtwache der Burgfestung hatte indessen hundert Bogenschützen und Speerträger aus den Soldatenunterkünften an der Wehrmauer in die Nacht hinausgeschrien. Dieses erste Kommando aus Tiryns hatte seine Verteidigungsstellung oberhalb des Kais aufgebaut, am kleinen Fischmarkt. Sie erwarteten den Angriff. Schon zischten die Feuerpfeile der Feinde durch die Nacht, setzen Hütten in Brand, bohrten sich flammend in die Körper der aufstöhnenden Soldaten.
Eine Gruppe nach der anderen von leicht bewaffneten Kriegern mit Rippenpanzern setzte flink aus den Schiffen hinüber ans Ufer. Sie schwangen ihre Keulen und Äxte, hielten die Speere zum tödlichen Hieb bereit und rannten ohne Furcht auf die Stellung der Mykener zu. Ein zweites Kommando mit Rundschilden sprang aus den Schiffen und ließ scharfe Langschwerter über den Köpfen kreisen. Die feindlichen Krieger mit seltsamen Federbüschen an den Helmen überliefen förmlich die erste Verteidigungsstellung in der Unterstadt und warfen sich bald darauf wie gewaltige Wellenstürze gegen Türme und Tore der Küstenfestung von Tiryns. Überall waren sie, wie ein tödlicher Bienenschwarm. Binnen eines Tages streckten die Piraten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte.
Die mykenischen Ritter der Burg waren hoffnungslos in der Unterzahl, und ihre kampferprobten Bronzeschwerter brachen mit der Zeit im Messen mit dem Feind. Die Unterstadt brannte am Morgen. Der Palast auf dem Kreidefelsen am Abend. Tiryns war verloren. Mächtige Rauchwolken verdunkelten den Himmel und verkündeten das Ende.
Nikaos und sein Vater, der Wanax, sowie die Ritter im weiter landeinwärts liegenden Mykene sahen schon am frühen Morgen die Rauchwolken am Horizont. Und gegen Mittag, noch bevor die ins Kampfgebiet entsandten Kundschafter zurück waren, trafen die ersten Flüchtlinge aus der brennenden Stadt am Meer ein und berichteten mit bleichen Gesichtern von einem gnadenlosen Überfall. Der Wanax ließ die Wachen verdreifachen, die mykenischen Ritter riefen ihre Gefolgsleute aus der Unterstadt und ließen Speere, Schwerter und Schilde aus der Waffenkammer an die einfachen Soldaten verteilen. Die Mauern und Türme wurden mit Bogenschützen besetzt, die Streitwagen eingespannt.
„Also, doch, die Piraten! Erst unsere Brüder in Tiryns, jetzt wir.“ Der Wanax hielt mit der Elite seiner Ritter Rat im Megaron. „Wir müssen uns dem Kampf stellen. Unsere Mauern sind stark.“
„Stärkere Mauern als Tiryns? Vielleicht. Aber auch stärkere Waffen? Die Flüchtenden berichten von den brechenden Schwertern unserer Brüder am Meer.“ Der Ritter, der dies im Rat vortrug, war ein bärtiger Hüne mit dem Titel Moroqua, was nur einem hohen Gefolgsmann des Heeresführers der Mykener gebührte. Dabei stellte sich der Hüne einen Schritt aus den Reihen der Ritter heraus und drehte sich direkt dem König zu. Eine Provokation.
„Ah, Moroqua!“ Die Stimme des Königs klang spöttisch. „Wo ist unser Lawagetas? Wollte unser großer Heerführer nicht nach Verbündeten suchen? Und wollte er uns nicht Kupfer und Zinn besorgen, um neue Waffen zu schmieden? Er hat uns vor Wochen mit einer Schutztruppe von 50 Speerträgern und Bogenschützen verlassen. Und gehört haben wir seitdem nichts von ihm. Nun, wo ist er?“
„Wir müssen ihm vertrauen. Bei Potnia. Und Geduld haben.“
„Und bis dahin abwarten und schauen, wann diese Seevölker vor unseren Toren stehen und höflich um Einlass bitten?“ Der König wurde zornig, wobei ihm seine Locken wüst über der Stirn tanzten.
Der Moroqua gab nicht nach. „Der Lawagetas würde uns raten, mit den Piraten zu verhandeln. Wir müssen Zeit gewinnen.“
„Zeit für was? Und das sagst du, Sohn der Ahnen des Atreus. Geschützt in glänzender Rüstung, mit scharfem Schwert und der Streitaxt am Gürtel? Wo bleibt Dein Kampfgeist? Ist das eines Moroqua würdig?“
„Kampfgeist, ja. Angst, nein. Aber wir müssen uns mit dir nicht blind ins Verderben stürzen.“
Der bärtige Hüne hatte jetzt eine rebellische Position gegen seinen König bezogen. Im Megaron war jetzt nicht einmal mehr das Atmen der Männer zu hören, die vor dem Thron in Reih und Glied standen. Die Ritter schwiegen und verharrten, ohne Partei zu ergreifen. Nikaos hatte genug gehört und rief in die Runde.
„Ihr wollt kneifen, feiger Moroqua! Verhandeln? Mit den Mördern unserer Brüder in Tiryns? Niemals.“
Nikaos ging bei seinen Worten so vieles durch den Kopf: Seine geliebte Arexadara hatte der Moroqua als Vater dem Lawagetas versprochen, seinem persönlichen Feind. Er selbst war beim Brautwerben im Haus des Moroqua wie ein unterwürfiger Bittsteller behandelt worden, obwohl der Königssohn wertvolle Geschenke für die Familie mitgebracht hatte. Darunter eine überaus kostbare Goldkette mit Rosettenornamenten, einen ebenso kostbaren Trinkbecher aus Gold und als Hauptgeschenk einen mit Eberzähnen verzierten Helm seiner Ahnen, den sein Vater ihm als Geschenk überlassen hatte. Doch Arexadara blieb ihm verwehrt.
„Du nennst mich feige? Sei vorsichtig, junger Königssohn! Du sprichst wie ein vorlauter Knabe“, antwortete der Moroqua gereizt auf Nikaos Worte. „Wie gut, dass ich euch Arexadara nicht zu Frau gebe. Bei Potnia, sie braucht einen erfahrenen Mann.“
Dann wandte sich der Moroqua wieder selbstherrlich dem König zu. „Und du, Wanax, wenn du doch so stark und mutig bist, dann fordere doch den Anführer der Piraten zum Zweikampf heraus und lass` die Götter auf unserer Heimaterde vor den Toren der Stadt darüber entscheiden, wie unser Schicksal . . .“
„Still, Moroqua. Ich habe genug von dir gehört“, unterbrach der König jetzt energisch seinen Ritter. „Morgen in aller Frühe werden wir unser Heer auf der Ebene an der Brücke aufstellen, denn unsere Kundschafter erwarten morgen schon den Angriff der Piraten. Ich selbst werde die Lanzen- und Schwertträger in die Schlacht führen, du wirst anstelle des Lawagetas die Speerwerfer befehligen, dahinter folgen die Bogenschützen. Und mein Sohn wird mit den Streitwagen-Kämpfern die Flanke am ausgetrockneten Fluss schützen, unten im Tal, an der alten Brücke.“ Der Wanax klang entschlossen. „Morgen, meine Ritter, werden wir unseren Vätern viel Ehre erweisen."
Die Besprechung war beendet. Nikaos stahl sich schnell durch einen seitlichen Gang des Megarons ins Freie und lief quer über den Hof des Palastes. Mit einem beherzten Sprung vom Vordach eines Lagerraumes kürzte er den Weg ab, um schnell zu Arexadara zu kommen. Er rannte die Rampe hinab ins Ritterviertel. Sein Herz pochte, seine Gedanken rasten. Er hatte nicht mehr viel Zeit. „Es geht in die Schlacht, ich führe unsere Streitwagen, der Moroqua ist ein Feigling. Und ich werde Arexadara niemals aufgeben. Niemals!“
Dann kam er zu ihrem Haus, das wie die anderen Häuser der mykenischen Elite zweigeschossig und mit einem kleinen Hof auf ein Felstableau zwischen unterer Wehrmauer und Rampe gebaut war.
„Arexadara, pssst, hörst du mich?“ Nikaos hatte sich auf der Rückseite des Hauses zur Wehrmauer versteckt und nach ihr Ausschau gehalten. Doch er bekam keine Antwort. Er zog ein fingergroßes Holzröhrchen mit verschlossenen Enden aus seinem Beutel am Gurt und presste die Lippen auf einen der beidseitig angebrachten Schlitze.
Guuig-guuig. Wieder blies er in den Schlitz. Guuig-Guuig.
Der Ruf des Steinkauz-Männchens war das zwischen dem Königssohn und Arexadara verabredete Zeichen, sich an ihrem geheimen Ort zu treffen. Kurz darauf flog ein Steinchen in seine Richtung. Jetzt wusste er, dass Arexadara ihn gehört hatte und zum geheimen Treffpunkt kommen würde.
Die jüngste Tochter des Moroqua hatte sich im Inneren des Hauses schnell dem Blick der ahnungslosen Mutter und des strengen Vaters entzogen und sich aus einer Truhe für die Dienerschaft einen einfachen, dünnen Überwurf gegriffen. Sie zog sich das große Wolltuch weit über den Kopf und legte es über ihre schwarzen, kunstvoll mit Perlen geknüpften Haare. So würde sie jeder für eine Dienstmagd halten und nicht erkennen. Und nur so konnte sie unbemerkt durch den Hinterausgang das Haus verlassen und sich im Palastbezirk aufhalten.
Arexadara kürzte den gewundenen Rampenweg ins obere Viertel des Palastzentrums über eine steile Treppe ab, die nahe am Löwentor direkt bis zum kleineren Nordosttor hoch führte. Von hier konnte sie im Schatten der Bergkuppe und ungesehen vom Königspalast weiterlaufen. Bei den Werkstätten der Tagelöhner bog sie zur alten Zisterne ab, wo eine Treppe tief hinunter in den Felsen führte. Sie blieb bis hierher unerkannt und nahm jetzt vorsichtig Stufe für Stufe. Hinter der letzten Windung kam das Reservoir. Es roch nach frischem Quellwasser, und im schalen Licht der Grotte sah sie den Umriss eines jungen Mannes.
„Nikaos!“ Sie machte einen schnellen Schritt nach vorne und fiel dem Königssohn in die Arme. „Der Steinkauz hatte gerufen, aber ich konnte nicht schneller kommen, weil ich schon meinen Vater unten im Hof hörte und vorsichtig sein musste. Oh, was sage ich, wir müssen vorsichtig sein.“ Sie war außer Atem.
„Endlich bist du da. Ich habe Sehnsucht nach dir, nach deiner Stimme, deinem Haar. Und nach deinen . . .“
„Sei still, mein Prinz, denn was wir gestern nach der großen Kultfeier für unsere Göttin Potnia getan haben, war nicht recht.“
„Aber schön!“ Nikaos blickt ihr tief in die Augen und zog sie noch etwas enger an sich heran.
„Mein Vater wird mich töten.“ Arexadara schob ihn vorsichtig weg. „Er war vorhin ohnehin sehr aufgeregt, als er aus dem Megaron kam. Wir wissen natürlich alle, dass die Piraten Tiryns genommen haben.“
„So ist es, meine Prinzessin. Der Moroqua hat meinen Vater im Rat scharf angegriffen und beleidigt. Er verlangt das Königsduell mit dem Anführer der Feinde. Und wo ist der Lawagetas, dieses Ungeheuer, an den dich dein Vater verkaufen will? Seit Wochen keine Nachricht. Ist er ein Verräter?“
„Oh Nikaos. Ich verstehe davon nichts, das ist Männersache. Ich bete Potnia an und bitte um ihre Hilfe.“
„Hör mir zu. Morgen früh werden wir in die Schlacht ziehen. Ob mit oder ohne den Lawagetas. Was immer passiert, wir werden zusammenbleiben. Nach dem Kampf wird niemand mehr den tapferen und siegreichen Königssohn als Brautwerber verschmähen dürfen.“
„Bei Potnia, sei vorsichtig. Der Feind scheint stark. Und . . .“ Sie zögerte kurz. „Ich traue meinem Vater nicht mehr.“
„Was soll das heißen? Ich persönlich mag den Moroqua nicht, aber er ist immerhin unser zweiter Heerführer.“
„Vor drei Tagen empfing mein Vater eine Reisegruppe bei uns im Hof, sie gingen dann ins Ahnenzimmer. Merkwürdige Menschen, aus der Fremde, die ich noch nie gesehen habe. Ihr Worte habe ich nicht verstanden, aber sie hatten einen Übersetzer mit dabei.“
Nikaos fragte knapp. „Fremde? In unserer Burg? Um was ging es da?“
Arexadara zuckte mit ihren Schultern. „Keine Ahnung, bei Potnia. Von neuen Waffen und Werkzeugen war die Rede, ich hörte sie ,gutes Eisen‘ sagen. Es ging um Rohstoffe aus dem Osten, von den Hethitern. Und es ging um Gold. Viel Gold.“
„Gute Eisen? Aus dem Osten? Hm, und weiter?“
„Vielleicht hat es nichts zu bedeuten, aber . . .“
„Sag schon. Es könnte wichtig sein.“
„Der Lawagetas soll bald da sein. Genauer: Morgen. Sie sprachen vom zweiten Tag nach der großen Potnia-Feier.“
„Bist du sicher? Das würde ja bedeuten, dass er morgen zum Kampf gegen die Piraten da wäre.“
Die junge Frau nickte. Und Nikaos legte seinen Arm um sie.
Arexadara spürt das Metall an ihrer linken Brust. Ihre Hand zittert nicht. Mit einem kurzen Ruck stößt sie die Spitze des Messers in sich hinein. Sie zuckt. Sie erschrickt, sie reißt die Augen auf. Die Klinge fühlt sich so kalt an. Sie spürt den Schmerz, der sich erst zusammenzieht und dann in der gesamten Brust verteilt. Ihre Augen beginnen zu flackern.
Die junge Frau steht an der Mauerzinne und sieht um sich herum die toten Krieger. Das ‚gute Eisen‘, es hat gewonnen. Dabei haben die mykenischen Schlachtreihen lange den Angriffen der Piraten standgehalten, ihre Pfeile den Tod in die Reihen der Fremden geschickt.
Sie sieht im Nebel der Erinnerung, wie der König und seine Lanzenträger die Mitte verteidigen, ohne im Nahkampf die Schwerter ziehen zu müssen. Nikaos dagegen kämpft am ausgetrockneten Fluss und hält die Brücke. Und die Speerwerfer? Sie sind untätig geblieben. Ihr Vater, der Moroqua, wartet offenbar auf ein Zeichen. Aber von wem?
Arexadara schwankt. Sie stützt sich mit einer Hand an der Mauer ab. Mit der anderen umklammert sie etwas und greift damit an den blutgetränkten Fleck an ihrer Brust. Wieder tauchen Bilder auf. Das kurze Bellen der Piratenhörner dröhnt dazu in ihren Ohren. Dieses grausige, dumpfe Blasen. Dabei ist es nicht der Feind, der von hinten plötzlich auf das Schlachtfeld stürmt.
Der Lawagetas und seine 50 Soldaten greifen die eigenen Truppen aus dem Hinterhalt an und strecken die ahnungslosen Bogenschützen in Windeseile nieder. Verrat! Zwischen dem Wanax und dem verräterischen Lawagetas stehen nur noch die Speerträger des Moroqua. Doch statt sich dem Verräter in den Weg zu stellen, stürmt Arexadaras Vater gegen den eigenen König. Die
mykenischen Krieger müssen im Nahkampf nun ihre Schwerter ziehen, doch schon bald zerbricht das Metall unter den Hieben der Feinde. Der Wanax sitzt in der tödlichen Falle.
Arexadara sackt zusammen und fällt auf die Knie. Sie spürt ihre Kräfte schwinden. Doch noch ist ihr Geist wach. Sie sieht in ihrer Erinnerung, wie Nikaos seine Stellung an der Brücke aufgibt, nach dem Wanax schreit und auf seinem Streitwagen wie ein junger Adler auf luftigen Schwingen heranfliegt. So schnell, so mutig, so jung.
Arexadara sieht sich jetzt selbst an den Zinnen der Mauer stehen, wie sie dem jungen Königssohn zurufen will. Doch der ist zu weit weg und ihre Schreie durchdringen nicht das Kampfgebrüll der Krieger. Nikaos streckt die Feinde nieder, links wie rechts, der Adler ist schon bald bei seinem Vater, dem Löwen von Mykene. Doch dann durchbohrt ein Speer die Brust des Königsohns. Eine gewaltige Wucht wirft Nikaos nach hinten aus dem Wagen.
Das ist das letzte, was Arexadara von ihm sieht. Sie erstarrt. Der Speer, er kommt aus der Hand ihres eigenen Vaters. Dann schwingt der Lawagetas sein langes Schwert. Und mit einem einzigen Hieb schlägt er den lockigen Kopf des Königs von den Schultern. Es ist vorbei.
Ein Zittern durchfährt jetzt Arexadaras schlanken Körper. Sie reißt die Augen auf. Die Klinge fühlt sich so kalt an. Arexadara spürt den Schmerz. Sie fällt nach vorne über die Knie, auf den staubigen Boden. Dabei löst sich eine kleine Tonfigur aus ihrer Hand, die einem gestreiften Stier sehr ähnelt. Das blutverschmierte Gegenstück zu ihrem Herzenspfand für Nikaos fällt auf die Steine. Aber das merkt sie schon nicht mehr.
Ende